Wie war das früher in Ermensee?

Wir nehmen Sie mit auf eine kleine Zeitreise in die erste Hälfte des 20sten Jahrhunderts!

Vertreter des Kulturvereins Ermensee befragten im Jahr 2015 sechs Alteingesessene zur ‘guten alten Zeit’. Oder war die Zeit doch nicht so gut, wie es im Volksmund heute häufig klingt?

Josef ‘Postseppi’ Elmiger sen. (†) und Sohn Josef Elmiger jun., Toni Rast (†), Franz ‘Postfranz’ Müller, Hans ‘Haguhans’ Elmiger und Eugen Elmiger stellten sich zur Verfügung, um über ihre Kindheit, ihre Erinnerungen, Erlebtes und ihr Wissen über Ermensee zu berichten. Wir beleuchten hauptsächlich die Zeit zwischen ca. 1920 und 1967.

Liebe Leserin und lieber Leser, überall da, wo Sie im Text (Einspielung) finden, können Sie eine Audiodatei aufrufen, mit der Sie den zum Thema passenden Gesprächsausschnitt hören können.

Wir machen ferner darauf aufmerksam, dass dieser Text die Aussagen der Interviewten widerspiegelt. Für die Richtigkeit der Aussagen übernimmt der Kulturverein keine Gewähr.

Franz Felix, der durch das Interview führte, stellte Fragen zu den Themen Schule, Tradition, Leben früher sowie Mobilität, Arbeit und Familie. Heraus kam ein Zeitzeugnis, das uns Einblick in Fakten, Sichtweisen und Bubenstreiche gewährt.

Anschliessend sind Auszüge des Interviews abgebildet. Das ganze Interview kann im angefügten Dokument nachgelesen oder auch ausgedruckt werden.

Erinnerungen an die Schule

Ein Lehrer für 60 Kinder

Ein Lehrer betreute alle Kinder. Wir können uns gut vorstellen, dass dies nicht einfach war. Und eigentlich funktionierte es, weil die Sechstklässler die Erstklässler unterrichteten.

Trotzdem fiel dem Lehrer auf, wenn ein Kind fehlte. So erzählt uns Eugen Elmiger, wie er morgens lieber in den Wald als zur Schule ging, bis der Lehrer die Mutter traf. Die Prügel für sein Fehlverhalten bezog er gleich doppelt. (Einspielung 5)

Kinder mit Sprachschwierigkeiten hatten es zu jener Zeit schwer. Zusätzliche Angebote wie Sprachunterricht (heute Logopädie) gab es damals nicht.

Die Schulkinder mussten sich neben den Pflichten zu Hause auch im Dorf nützlich machen: sie mussten zum Beispiel Maikäfer einsammeln. Damit deren Engerlinge die Selbstversorgung nicht beeinträchtigen konnten, wurden die Käfer eingesammelt und getötet.

Die kleinen und grossen Freuden neben den Pflichten

Wiesen- und Musikfeste

Die beliebten Wiesenfeste fanden, wie der Name schon verrät, auf Wiesen am Dorfrand statt. Die Bühne wurde unter Obstbäumen im Schatten aufgebaut. Und offensichtlich waren diese Feste sehr beliebt. (Einspielung 20)

1951 fand eines von zwei Musikfesten im Dorf auf beiden Seiten des Aabachs statt. Dort, wo die Bühne aufgebaut war, brachte ein starker Sturm einen mächtigen Nussbaum zu Fall. Auf die Frage von Franz Felix, ob nie jemand in den Bach gefallen sei, schmunzeln unsere Alteingesessenen und berichten ganz trocken, dass dies nie passiert sei, dafür hätte man dann und wann jemanden in den Bach geworfen. (Einspielung 21)

Musik zu machen, hat in Ermensee eine lange Tradition. Schon um 1800 gab es eine Jägermusik; später dann die alte Ermenseer Musik und 1926 wurde die Ermenseer Musik, die heutige Brassband, gegründet. Schon 1928 wurden die ersten Konzerte im Restaurant Löwen gegeben.

Von einem seiner Präsidenten, nämlich Jakob Stutz, konnten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, bei den in Erinnerung gebliebenen Personen bereits lesen.

‘Postseppi’ Elmiger erzählt uns, dass er während des Aktivdienstes Musik machte. So wichtig wie die Musik früher war, ist sie heute noch und so sehr sich die Ermenseer früher über sie freuten, so tun sie es heute noch, wenn die Ermenseer Brassband an ihren Konzerten oder am 4. Advent an verschiedenen Standorten im Dorf aufspielt.

Wichtig zu erwähnen ist der Männerchor, wenn es um die Musik geht. Dieser wurde 1936 gegründet und 1946 wurde seine Fahne feierlich geweiht. Der Chor konnte von fähigen Dirigenten profitieren, die aus den Reihen der Lehrerschaft stammten. 1946 wurde Einträchtler Seppi Dirigent. Er war unseren Interviewpartnern noch gut in Erinnerung. Inzwischen besteht der Männerchor nicht mehr.

Wie es früher üblich war, beschränkte sich die Mitgliedschaft der Dorfbewohner häufig nicht auf nur einen Verein.

Auffahrtskranzen

Ein christliches Fest, das in Ermensee grosse Tradition hat, ist die Auffahrt. Seit rund 500 Jahren existiert der Hitzkircher Auffahrtsumritt, dessen Strecke durch die gesamte Pfarrei und somit auch durch Ermensee verläuft. Bevor der Prozessionszug von Richensee kommend zur Kapelle gelangt, durchquert er den Auffahrtsbogen, der abends zuvor aufgestellt wird. Seit einigen Jahren wird der Auffahrtsbogen von Mitgliedern des Kulturvereins beim sogenannten Kranzen erstellt und an der vorgesehenen Stelle aufgestellt.

Früher verhielt es sich mit dem Kranzen ganz anders. Es hatte schon beinahe etwas Heiliges, denn nur die sogenannten «Reinen» durften den Auffahrtsbogen herstellen. Was es damit genau auf sich hat, können Sie unter der Rubrik «Traditionen» des online-Museums lesen. Kurz umrissen verhielt es sich so, dass es die «reine» Korporation mit den alteingesessenen Ermenseer Bürger gab und die «gemischte» Korporation mit den Zugezogenen. Allen gemeinsam war, dass sie eine bestimmte Grösse an Wald besassen.

Natürlich gibt es auch hier die eine oder andere Anekdote. Eine soll hier erwähnt werden:

Durch Heirat geschah es, dass eine Familie, wie bei Toni Rast, plötzlich zur gemischten bzw. der «unreinen» Korporation gehörte. Andersrum passierte es aber auch, dass eine junge Frau von einer «unreinen» zu einer «reinen» Familie wechselte. So geschehen bei Haguhans’ Ehefrau Berti. Sie beschreibt dies auf ihre eigene Weise, nämlich dass sie durch Heirat zu einer «Reinen» wurde und trotz vier Kinder «rein» blieb. Hören Sie selbst und lauschen Sie der nächsten Einspielung. (Einspielung 24)

Das ganze Interview als PDF-Datei                       . Interview 2015
Link zu den Beinamen Entstehung der Zunamen

Einspielung 4
Unterschied zwischen Mädchen und Buben kennen